Meine Erfahrungen mit dem dänischen „Bjesk“ haben mich unruhig gemacht. So ein einfaches Rezept wird dermaßen geschätzt. Normaler Weise ist das ja nicht so. Was umsonst oder preiswert zu bekommen ist, sinkt in unserer Gunst. Nun, davor bin ich scheinbar auch nicht gefeit.
Ich bin also noch einmal tiefer in die Materie „Lebenselixier“ eingestiegen:
Lebenselixiere wurden in allen Hochkulturen seit Menschengedenken verwandt. Den islamischen Nationen ist das Aufblühen der Alchemie zu verdanken. Die alchemistischen Lehren kamen mit den Rückkehrern der Kreuzzüge schließlich nach Europa. Dieses Wissen stärkte das Apothekerwesen, das sich damit der Gunst der herrschenden Klasse versichern konnte.
Elixiere sind Pflanzenzubereitungen (manchmal mit Metallen oder Tierprodukten). Damit unterscheiden Sie sich noch nicht wesentlich von einfachen Tinkturen. Es ist der Herstellungsprozess, der ein Elixier ausmacht. Meist wird alchemistisch, bzw. spagyrisch gearbeitet. Der Begriff „Elixier“ ist schon von jeher etwas geheimnisumwoben.
Die Anforderungen an ein Lebenselixier sind hoch: Es muss eine große Bandbreite zur Behandlung von Krankheiten, speziell altersbedingten, vorweisen. Die Zutaten müssen aufeinander abgestimmt sein und dürfen auch bei langfristiger Einnahme nicht nachteilig wirken.
Einfache Lebenselixiere sind z. B. Aquavite. Von „Aqua Vitae“ = Lebenswasser. Hier werden Kräuter, meist Dill und Kümmel, als Zutaten in der Herstellung von Schnaps verwendet. Dill und Kümmel weisen auf die Hauptwirkrichtung hin: Die Verdauung.
F.X. Mayr behauptet: „Die Gesundheit liegt im Darm!“ Und wenn Sie die aktuelle Fernsehwerbung verfolgen, dann wissen Sie ja auch, wie Sie Ihre Verdauung endlich „in Schwung“ bringen.
Es geht aber nicht nur um die Verdauung. Vor allem Bittermittel werden in Lebenselixieren verwandt. Die haben natürlich eine sehr verdauungsanregende Wirkung. Gleichzeitig stützen sie aber das Herz und den Kreislauf und regen die Energie an. Bittermittel wirken somit wirklich verjüngend und lebensverlängernd.
Müsste es in der heutigen „Anti-Aging“ Kultur nicht geradezu einen „Run“ auf solche Elixiere geben?
Das ist, wie alles, der Mode unterworfen. Auch der legendäre Klosterfrau-Melissengeist ist ein Lebenselixier, das noch vor einigen Jahrzehnten gut, ja zu gut, genutzt wurde. Manche brave Hausfrau war regelrecht alkoholabhängig geworden. Klosterfrau verzeichnete damals einen herben Umsatzrückgang. Es ist eben wie überall das Maß der Dinge. Wir wollen dem Melissengeist aber nicht Unrecht tun. Medikamentenmissbrauch gibt es auch in der Pflanzenheilkunde. Nicht alle Medizinalweine wurden im Krankheitsfalle getrunken und der Mensch lebt oft nach dem Motto: Viel hilft viel… Bei mir steht er jedenfalls nach wie vor im Schrank (Der Melissengeist – nicht der Mensch!). Ich bevorzuge dabei aber den Melissengeist von Weleda, eben der anderen Zubereitung wegen. Wer sich ein wenig mit alchemistischen Prozessen auskennt, der weiß, dass man versucht, durch unterschiedlichste Behandlung der Pflanzen den „Geist“ (damit ist nicht unbedingt was Stoffliches gemeint) und alle brauchbaren Inhaltsstoffe herauszulösen. Es wird verascht, vergoren…
Im Melissengeist (zumindest von Weleda) wird dabei mit den Ingredienzen wieder eine völlig neue Pflanze erschaffen. Sie wird aus den verschiedenen Teilen verschiedener Kräuter gebildet. Von Wurzel, Blüte, Blatt und Samen, alles ist in diesem Melissengeist.
- Majoran – Fotografiert von Christiane Herrmann
Auch Majoran ist Bestandteil vieler Lebenselixiere
Die Werbung heute will uns klarmachen, dass der Alterungsprozess hauptsächlich mit den „freien Radikalen“ zu tun hat, vor denen wir uns schützen müssen. Eine recht einseitige Sicht. Aber einfacher zu verkaufen.
Ein wenig Terrain haben sich die Lebenselixiere mit dem „Schwedenbitter“ zurückerobert, aber so richtig weiß niemand mit ihm umzugehen.
Das „Wasser der Königin von Ungarn“ ist z. B gar nicht so schwer herzustellen, 4 Zutaten aus dem Kräutergarten (vor allem Rosen), die ausziehen und später noch destilliert werden. Man nutzte es, wenn der Altersunterschied zwischen den Paaren recht groß war. Nun – wir wollen mal annehmen, dass dieses Wässerlein jünger macht, um den Ausgleich zu schaffen und nicht den jüngeren Partner älter. Aber meines Wissens hatte die Namensgeberin dieses Elixiers eine Vorliebe für jüngere Herren. Eine etwas andere Art der „Frischzellenkur“.
Noch einfacher ist eine „Frenette„. Genaugenommen wird da nur Esche in Weißwein ausgezogen (Blätter, Samen Rinde). Man sagt den Verwendern eine Lebensspanne von über 100 Jahren nach. Früher war die Frenette in ganz Europa gebräuchlich, hat sich aber dann nach Frankreich zurückgezogen.
Sind diese Lebenselixiere wirklich so gut? – Ich sags Ihnen in 100 Jahren! 😉
Wenn wir uns die Zutaten näher betrachten, fallen natürlich die Bittermittel auf, die an sich schon ein Tonikum sind. Gerade Ältere sollten regelmässig welche zu sich nehmen. Aber wer macht das schon? Wir kriegen das große Zittern ja immer erst im Notfall und sorgen wenig vor. Außerdem gaukelt uns die Werbung erfolgreich vor, dass wir mit Yoghurt und den richtigen Cremes prima über die Runden kommen. Manch einer wird sich stolz auf die Brust klopfen und auf seine Sportlichkeit oder gesunde Lebensweise hinweisen…
Mehr brauchen wir nicht? – Ich fürchte, das gehört zu diesen berühmten „Irrtümern“ die sich über Generationen halten. Um Gesund zu bleiben braucht der Mensch noch ganz andere Dinge und die sogar vorrangig.
15 Faktoren für Gesundheit – nach Grossarth-Maticek
• Gute erbliche Voraussetzung (4,6%)
• Gesunde Ernährung (1,4%)
• Regelmäßige Bewegung (0,7%)
• Kein Suchtverhalten (1,1%)
• Gute soziale Integration (2,4%)
• Erholsamer Schlaf (3,9%)
• Positive Eigenaktivität (3,4%)
• Starke Lebenstendenz (4,7%)
• Ausgeprägte Autonomie (4,4%)
• Wohlbefinden und Lust (3,9%)
• Befriedigung wichtiger Bedürfnisse (1,1%)
• Glaube an höhere (göttliche) Mächte (12%)
• Kompetenzgefühl (1,9%)
• Ausgeprägter Selbstschutz (3,2%)
• Positive Anregungen (1,6%)
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Na? Haben Sie auch erst einmal mit dem Kopf geschüttelt? Ernährung und Sport haben so wenig Einfluss? Ja, auch hier sollte man ganzheitlich denken. Es gibt genug unter uns, die biologisch-vollwertig-einwandfrei essen und trotzdem krank sind. Und was ist auf dem Vormarsch? Psychische Krankheiten, Burn Outs… dafür finde ich wirklich einige Argumente in den obigen Faktoren…
Mal ganz knapp gesagt (die Psychologen mögen mir verzeihen): Wer mit sich und der Welt zufrieden ist, der hat beste Voraussetzungen, auch wenn er Sport nicht ganz so regelmässig treibt und doch hin- und wieder Chips und Schokolade killt. Das Maß der Dinge, wie überall.
Wozu dann noch Lebenselixiere? Aus Erfahrung weiß ich halt, dass Kräuter nicht nur körperlich, sondern auch psychisch unterstützen. Das Körper und Psyche sich gegenseitig beeinflussen dürfte heutzutage ja wirklich keiner mehr bestreiten. Kräuter können sicherlich keinen der obigen Punkte ersetzen, aber doch die eine oder andere körperliche Fehlentwicklung im Ansatz verhindern. Wenn der Mensch sein Fehlverhalten allerdings nicht abstellt, kann kein Kraut der Welt auf Dauer alles richten.
Lebenselixiere… das sind nicht nur „stoffliche“ Pflanzenauszüge. Man versucht den „Geist“ der Pflanze herauszulösen, irgendetwas, dass die heutige Wissenschaft noch nicht so recht fassen kann. Homöopathie lässt sich auch noch nicht wissenschaftlich fassen, mit Betonung auf „noch nicht“, aber jeder, der eine ernste Krankheit damit überwunden hat, braucht keine Beweise.
Ich glaube, es wird Zeit, dass wir diese Elixiere wieder entdecken. Die Rezepturen sind natürlich nicht mit modernen Mitteln erforscht und werden es, ob des Aufwands, auch nie sein (es sei denn, eine Handvoll fleißiger Anwender trifft sich in 100 Jahren zum Kaffeekränzchen – dass würde das Interesse der Pharma locken), aber man sollte sich nicht zu dem Vorurteil hinreissen lassen, dass unsere Ahnen mangels Abitur dumm waren. Sie lernten durch Beobachten. Natürlich gab es die eine oder andere Fehlinterpretation, aber davor sind wir heute auch nicht sicher. Vieles, was früher als Aberglauben abgetan wurde, hat mittlerweile einen ernsten, nachweisbaren Hintergrund bekommen.
Ich habe das wunderbare Potential von Kräutern und auch von verschiedenen Zubereitungsmethoden kennengelernt und werde mich den klassischen Lebenselixieren mehr widmen. Ich glaube, das das sehr spannend wird. Es gibt auch moderne Rezepturen, u. a. vom genialen Max Amann entwickelt. Experimentierfreudige bekommen das vielleicht auch homöopathisch hin.
Wer irgendwelche Erfahrungen hat, mit bewährten Familienrezepten gleich welcher Art, kann sie mir gern mitteilen.
Wer mehr über Lebenselixiere wissen möchte, kann sich am 22.11.10 in der VHS Jevenstedt informieren und eines mit mir herstellen.
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